Krankenhaus-Report 2023: Personalsituation in den deutschen Krankenhäusern - Probleme auf allen Ebenen angehen

Die Personalausstattung in den deutschen Kliniken und die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern werden schon lange diskutiert. Durch die Corona-Pandemie ist die Personalsituation, vor allem die Arbeitsbelastung von Pflegekräften und medizinischem Personal, für einige Zeit verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt und hat auch in der Politik viel Aufmerksamkeit bekommen. Ursachen dieser Belastung sind unter anderem die im Verhältnis zur Fallzahl geringere Zahl von Fachkräften, Fehlanreize durch das Finanzierungssystem und die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Die Ausgangssituation wird im aktuellen Krankenhaus-Report in unterschiedlichen Beiträgen beleuchtet. Bezogen auf die Bevölkerung verfügt Deutschland im Jahr 2019 im europäischen Vergleich über leicht überdurchschnittlich viel Personal im ärztlichen und pflegerischen Bereich. Bezogen auf die Fallzahl zeigt sich allerdings, dass Ärzte und Pflegekräfte in Deutschland im Schnitt mehr Fälle versorgen müssen als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen europäischen Ländern. Der europäische Mittelwert liegt bei rund zwölf Ärztinnen und Ärzten sowie 27 Pflegekräften pro 1.000 Fälle. Deutschland liegt mit etwa acht Ärztinnen und Ärzten und knapp 19 Pflegekräften pro 1.000 Fälle deutlich darunter.

Steigende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wird die Personalsituation verschärfen

Die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen im Zeitverlauf zeigt einige langfristige Trends. So ist die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den deutschen Krankenhäusern seit dem Jahr 2000 kontinuierlich bis 2021 gestiegen, durchschnittlich um 2,2 Prozent pro Jahr. Bei der Zahl der Pflegekräfte ist dagegen bis 2008 zunächst eine Reduktion zu verzeichnen, bis im Jahr 2018 wieder das Ausgangsniveau erreicht wurde. Der Gesamtanstieg von 2000 bis 2021 um etwa 12 Prozent ist demnach komplett auf den Zeitraum ab 2019 zurückzuführen, in dem die Selbstkostendeckung in der Pflege und die Pflegepersonaluntergrenzen eingeführt wurden. Zudem gibt es durch den Einbruch der Krankenhaus-Fallzahlen in der Corona-Pandemie einen interessanten Effekt: Gemessen an der Inanspruchnahme der Kliniken, also an den Fallzahlen und Belegungstagen, sind in den Jahren 2020 und 2021 wieder mehr Ärzte und Pflegekräfte pro Fall zu verzeichnen. Allerdings gab es ja gerade in den Omikron-Wellen auch viele Covid-Infektionen unter den Ärzten und Pflegekräften, die diesen potenziellen Entlastungseffekt vermutlich wieder zunichte gemacht haben.

Fest steht, dass es einige langfristige Trends gibt, die die Personalsituation in den deutschen Krankenhäusern eher verschärfen werden. Durch die älter werdende Bevölkerung in Deutschland ist in Zukunft von einer steigenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und damit auch von einem höheren Personalbedarf auszugehen. Insgesamt sehen wir beim Krankenhaus-Personal eine überdurchschnittliche Entlohnung im Vergleich zur Gesamtwirtschaft, einen hohen Frauenanteil, eine hohe Teilzeitquote, eine häufig geringe Verweildauer im Beruf und eine sehr geringe berufsspezifische Arbeitslosenquote. Das verdeutlicht, dass Kliniken bereits jetzt schon Probleme haben, neue Arbeitskräfte zu finden.

Krankenhaus-Report beleuchtet Handlungsfelder zur Steigerung der Berufsattraktivität 

Um die Berufsattraktivität langfristig zu steigern und somit mehr Personal zu gewinnen, werden im aktuellen Krankenhaus-Report unterschiedliche Handlungsfelder beleuchtet. Ein Ansatzpunkt im Bereich des Krankenhaus-Managements sind bessere Angebote zur Vereinbarung von Familie und Beruf und die Umsetzung von Konzepten für ein innovatives Personalmanagement. Weitere Maßnahmen sind die Förderung der akademischen Ausbildung und die Steigerung des Anteils von an Hochschulen ausgebildeten Pflegekräften. Eine Handlungsoption ist darüber hinaus beispielsweise die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland, die ja schon seit einigen Jahren vor allem in der Pflege, aber auch im ärztlichen Bereich diskutiert und angegangen wird, aber auch mit ethischen Fragen verbunden ist.

Zentral ist aber vor allem auch die Frage nach Strukturreformen, die aktuell in der Gesundheitspolitik diskutiert werden. So wird man dem Fachkräftemangel voraussichtlich nur dann nachhaltig begegnen können, wenn auch Vorkehrungen zur Leistungskonzentration und zum Strukturwandel in der Gesundheitsversorgung getroffen werden. Deutliche Entlastungen können sich ergeben, wenn sich die während der Pandemie beobachtete Fallzahlreduktion im Krankenhaus durch Ambulantisierung, insbesondere bei den ambulant-sensitiven Fällen, beispielsweise im Bereich der Indikationen Herzinsuffizienz, Diabetes, COPD oder Asthma, verfestigen lässt. So war der Rückgang bei den ambulant-sensitiven Behandlungen im Jahr 2022 mit minus 23 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 sogar noch größer als in den beiden ersten Pandemie-Jahren 2020 und 2021. Auch andere Analysen verweisen auf erhebliche Ambulantierungspotenziale. Bspw. machten im Jahr 2019 die Top-30-„Kurzlieger“ aus dem bis 2022 geltenden AOP-Katalog und mit einem geringen medizinischen Schweregrad in Deutschland einen Anteil von 4 Prozent aller Krankenhaustage aus. Das gesamte Reduktionspotenzial aller ambulantisierbaren Operationen und Behandlungen kann folglich deutlich höher eingeschätzt werden. Zudem ist zu hoffen, dass die avisierte Notfallreform und die Einführung der Vorhaltefinanzierung dazu beitragen, dass unnötige Krankenhausaufnahmen unterbleiben. Mit einer stationären Aufnahmequote von 50% bei den administrativen Notfällen liegt Deutschland deutlich höher als etwa den Niederlanden oder Frankreich.

Krankenhausreform bietet Ansatzpunkte zur Entlastung des Personals

Die aktuell diskutierte Krankenhausreform bietet weitere Ansatzpunkte für die dringend notwendige Entlastung des Personals in den Kliniken und für eine bessere Allokation der verfügbaren Arbeitskräfte. Die begrenzten Personalressourcen können wesentlich zielgerichteter und rationaler eingesetzt werden, wenn eine qualitätsorientierte Konzentration von Leistungen konsequent umsetzen werden würde. So können große und personell gut ausgestattete Krankenhäuser auch flexibler auf punktuelle Engpässe reagieren – zum Beispiel durch Einrichtung von Personalpools über die Fachabteilungen hinweg. Die unnötige Bereithaltung von Fachpersonal an Standorten mit geringer Auslastung könnte vermieden werden. Durch positive Auswirkungen auf die Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten könnten viele Komplikationen oder gar Sterbefälle vermieden und die Patientensicherheit deutlich verbessert werden.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass Maßnahmen zur Personalgewinnung und Erhöhung der Berufsattraktivität sehr wichtige Handlungsoptionen sind, um dem Personalmangel zu begegnen. Allerdings werden sie angesichts der demographischen Entwicklung und der Lage am Arbeitsmarkt als alleinige Maßnahmen nicht ausreichen. Es braucht ergänzend die Leistungskonzentration auf die Fälle, die aus medizinischen Gründen auf eine Behandlung im Krankenhaus angewiesen sind, und eine bessere Allokation der verfügbaren Personalressourcen.

Krankenhaus-Report 2023 analysiert Personalausstattung der Krankenhäuser

Der aktuelle Krankenhaus-Report 2023 analysiert umfassend die personelle Ausstattung im Krankenhaus. Neben der Analyse der Ausgangslage betrachtet der Report die diversen Problembereiche und erörtert die Handlungsoptionen hin zu einer nachhaltigen und langfristig angelegten Verbesserung der Personalsituation. Beiträge namhafter Autorinnen und Autoren untersuchen hierzu die Personalsituation im Zeitverlauf und im internationalen Vergleich, analysieren das Image der Pflegeberufe, die Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen/Ärzten und Pflegekräften und die Einsatzmöglichkeiten von Digitalisierung und Robotik im Krankenhaus. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit den geltenden Personalvorgaben, der Pflegekostenfinanzierung und der Verbesserung der Personalallokation durch strukturelle Veränderungen. In der Rubrik „Zur Diskussion“ werden weitere Themen von großer Aktualität und Relevanz aufgegriffen, so beispielsweise die Optionen zur Ausgestaltung einer Vorhaltefinanzierung, das Reformkonzept der Regierungskommission zur Krankenhausvergütung oder auch die Entwicklungen im Krankenhaus während der Pandemie.

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